Aktuelles & News

22.08.14 | Bundesumweltministerin Hendricks will klimafreundlichere Kläranlagen

Bundesumweltministerin Hendricks will klimafreundlichere Kläranlagen - Die Kläranlage Isselburg setzt auf DynaSand, als energiesparende und zukunftsweisende Filtertechnologie

Umweltministerin Hendricks besucht Isselburger Kläranlage - Quelle: bbv-net

Die Bundesregierung sieht klimafreundlichere Kläranlagen als Möglichkeit, um das Ziel von 40 Prozent weniger Treibhausgasen bis 2020 noch zu schaffen. Bisher läuft es nur auf 33 Prozent weniger hinaus. «Die Lücke von sieben Prozent macht 85 Millionen Tonnen CO2 aus», sagte Bundesumweltministerin Barbara Hendricks (SPD) am Donnerstag beim Besuch einer Kläranlage im nordrhein-westfälischen Isselburg. Diese verursacht dank einer 6,4 Millionen Euro teuren Erweiterungs- und Modernisierungsmaßnahme weniger Treibhausgase. Wenn man alle Kläranlagen so optimieren würde, wären das immerhin schon 600 000 Tonnen, die zusätzlich eingespart werden könnten, so Hendricks. Mit neuer Belüftungstechnik und modernen Filteranlagen wurde der Verbrauch deutlich gesenkt. Lag dieser gemessen an den 14 000 an die Kläranlage angeschlossenen Bewohnern bei 56 Kilowattstunden pro Einwohner im Jahr, sind es nun 27 Kilowattstunden. Zudem wird die Stickstoffbelastung unter anderem durch eine Optimierung der Schlammbehandlung deutlich reduziert. Kläranlagen sind vielerorts die größten kommunalen Energieverbraucher.

Verfahrensschema Kaskadenbiologie mit Restdenitrifikation im Filter | Quelle: Stadt Isselburg

Lesen Sie hier weiter:

Hintergründe zum Projekt:

Die Stadt Isselburg betreibt nordwestlich der Stadt eine direkt an der Issel gelegene, mechanisch-biologische Kläranlage (Abbildung 1), welche die Abwässer aus der Kernstadt Isselburg den Ortsteilen Anholt, Werth, Vehlingen, Heelden und einiger weiterer Streusiedlungen behandelt. Die Anlage wurde in den vergangenen Jahren in verschiedenen Schritten erweitert und ausgebaut und verfügt aktuell über eine Ausbaugröße von 14.000 Einwohnerwerten (EW). Verfahrenstechnisch ist eine mechanische Reinigungsstufe mit Rechen, Sandfang und Vorklärung sowie eine biologische Reinigungsstufe mit vermehrter biologischer Phosphor(P)-Elimination (Bio-P-Becken), vorgeschalteter Denitrifikation und Nitrifikation vorhanden. Die Schlammbehandlung besteht aus einem statischen Eindicker, einer Faulung, einer maschinellen Faulschlammeindickung mittels Siebtrommel sowie Schlammstapelbehältern. Der Schlamm wird ca. vier mal im Jahr durch eine Fremdfirma mobil entwässert und abgefahren. Derzeit hat die Kläranlage einen spezifischen Energiebedarf von ca. 52 kWh/(EW*a). Im Zuge der Maßnahme zur Erweiterung und Modernisierung der Anlage wird diese auf eine Ausbaugröße von 20.000 EW erweitert. Kernstück der Modernisierung ist eine umfassende Optimierung der Energieeffizienz der gesamten Kläranlage. Die optimale Lösung wurde vom Ingenieurbüro WE-Consult Ltd. aus Düsseldorf im Rahmen von detaillierten Wirtschaftlichkeitsanalysen über umfangreiche Variantenvergleiche sowohl für die Abwasserreinigung als auch für die Schlammbehandlung ermittelt. Im Ergebnis wird die gesamte Verfahrenstechnik der Kläranlage umgestellt. Zukünftig wird die Kläranlage als 3er-Kaskade mit intermittierender Denitrifikation betrieben (Abbildung 2). Die vorhandenen Becken werden so umgebaut, dass sie als pfropfendurchströmte Kaskaden fungieren, wobei der Rücklaufschlamm nur in den Zulauf der ersten Kaskade eingeleitet wird. Die Stromaufteilung am Ablauf der Vorklärung wird so eingestellt, dass sich in allen Kaskaden die gleiche Schlammbelastung einstellt. Auf diese Weise wird eine Kapazitätssteigerung erreicht, so dass auf eine Erweiterung der vorhandenen Becken vollständig verzichtet werden kann.

Aufgrund der strengen Anforderungen an die Ablaufwerte für Phosphor aber auch Biologischer Sauerstoffbedarf (BSB5), wird der Anlage eine kontinuierlich "gespülte" Filteranlage (DynaSand) nachgeschaltet, die im Bedarfsfall zur Restdenitrifikation genutzt werden kann. Außerdem ist die Anlage durch die Filteranlage optimal auf eventuelle zukünftige Anforderungen im Hinblick auf Spurenstoffelimination vorbereitet.


Ziel der Maßnahmen ist es, die Emissionen aus der Einleitung von gereinigtem Abwasser in ein Fischgewässer zu reduzieren, durch Umstellungsmaßnahmen und die Substitution von Strom und Heizöl die Energieeffizienz der Kläranlage zu steigern und durch eine Reduktion der Klärschlammmenge Transport und Verwertungsaufwendungen zu reduzieren. Durch die Umstellung auf eine Kaskadenbelebung mit alternierender Denitrifikation kommt es zu einer vermehrten biologischen P-Elimination, wodurch eine Halbierung der heutigen Jahresfracht an Phosphor zu erwarten ist. Im Zentrum der Energieoptimierung liegt dabei die Umstellung der Belüftung auf intermittierende Denitrifikation. Als Regelgrößen dienen zukünftig im Wesentlichen die Stickstoffparameter NH4-N und NO3-N, so dass nur belüftet wird, wenn dies verfahrenstechnisch erforderlich ist. Alle Kaskaden werden mit RMU-Plattenbelüftern ausgerüstet. Hierdurch kann auf Rührwerke zur Schlammumwälzung auch in den unbelüfteten Phasen vollständig verzichtet werden. Die Rücklaufschlammförderung wird zukünftig so optimiert, dass sie bedarfsgerecht, belastungsabhängig betrieben wird. Die Maßnahme umfasst außerdem eine umfangreiche Optimierung der Schlammbehandlung. Primär- und Überschussschlamm werden zukünftig getrennt abgezogen und eingedickt. Die eingedickten Schlämme werden der Faulung über 24 Stunden vergleichmäßigt zugeführt. Der Faulbehälter erhält eine neue, moderne Wärmedämmung und eine interne Umwälzung. Durch die Maßnahmen wird zum einen erreicht, dass der Heizenergiebedarf im Auslegungsfall um mehr als 60 Prozent gesenkt werden kann und zum anderen die Klärgasausbeute so gesteigert wird, dass der Einsatz einer modernen Kraft-Wärme-Kopplungs- Anlage wirtschaftlich wird. Zum Einsatz kommt ein modernes Blockheizkraftwerk (BHKW) (Ŋth = 80 kW, Ŋel = 50 kW). Im Sommer wird ein Teil der überschüssigen Wärme des BHKW über eine Kälte-Adsorptionsmaschine zur Kühlung der Schaltanlagen und zur Klimatisierung der Betriebsgebäude genutzt. Der ausgefaulte Klärschlamm wird zukünftig auf der Kläranlage über eine Zentrifuge maschinell entwässert. Die Maßnahme umfasst darüber hinaus eine hydraulische Optimierung des Zulaufpumpwerkes. Außerdem kommen für alle relevanten Verbraucher Motoren zum Einsatz, die mindestens der Klasse IE2 (EFF1) zuzurechnen sind. Der Energiebedarf der modernisierten Anlage kann so auf deutlich unter 29 kWh/(EW*d) gesenkt werden.